Die Hälfte der 700 Insassen des Gefängnisses in Butzbach sind 1936 politische Häftlinge – darunter auch neun junge Männer aus Mörfelden. Butzbach ist die zuständige Strafanstalt für sogenannte „Ersttäter“ im Bezirk der Oberlandesgerichte Darmstadt und Frankfurt. Diejenigen, die wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt wurden, sollen möglichst in Einzelhaft untergebracht werden.
Nach der ersten Phase willkürlicher Festnahmen ohne jedes juristische Verfahren schafft die NS-Regierung bereits 1933 neue, sogenannte „Sondergerichte“. Diese werden als eine Art Schnelljustiz gegen politische Gegner eingesetzt. Bei „Sondergerichten“ sind die Rechte der Beschuldigten gravierend eingeschränkt. Die Voruntersuchung ist abgeschafft, die Ladungsfrist auf 24 Stunden verkürzt und der Verurteilte hat keine Möglichkeit gegen das Urteil juristisch Einspruch zu erheben. Auch gegen fünf Mörfelder kommt es im Herbst 1933 – vermutlich durch Denunziationen von Nachbarn und Arbeitskollegen – zu Anklagen vor diesen neuen Gerichten: gegen W. H. Schulmeyer, L. Schaffner, G. Löffler, H. Herzberger und K. Dammel. Alle werden wegen illegalen Waffenbesitzes zu längeren Haftstrafen verurteilt. Eine Waffe zu besitzen, ist zur damaligen Zeit in Landgemeinden nicht ungewöhnlich. Viele gehen offiziell oder „inoffiziell“ zur Jagd, einige haben die Waffen noch aus ihrer Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg – auch wenn dies nicht erlaubt ist.
Die Bezirksleitung der KPD Frankfurt-Hessen versucht 1934 die Partei zu reorganisieren. Die KPD benennt Ludwig Schulmeyer zum politischen Leiter des neuen Unterbezirks (= Kreis) Groß-Gerau, Wilhelm Scheuermann soll in Mörfelden wieder eine neue Ortsgruppe der KPD aufbauen. Gestapoberichte zeigen, dass die neuen Machthaber präzise darüber informiert sind, was wann wo geschieht. Ohne Denunzianten geht auch das nicht. Die Gestapo schreibt am 26. Februar 1935: „Die Untersuchung zieht immer weitere Kreise und es kann erwartet werden, daß der gesamte in Starkenburg aufgezogene illegale Apparat der KPD aufgedeckt wird.“ Im Laufe des Februar und März 1935 werden sieben Mörfelder Kommunisten festgenommen.
Nachgewiesen werden kann ihnen nicht mehr als dass sie einzelne Flugblätter und Zeitungen der KPD entgegengenommen und für die Partei oder die „Rote Hilfsorganisation für politische Gefangene“ („Rote Hilfe“) Pfennigbeträge eingesammelt oder gespendet haben. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ werden sie vom Oberlandesgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die meisten kommen nach Butzbach. Dort dürfen sie nur viermal im Jahr Besuch bekommen – nicht aber von Kindern unter 14 Jahren. Viele der Inhaftierten sind junge Väter.