Von der politischen Verfolgung ist immer die ganze Familie betroffen. Viele Mütter sind empört, dass ihre Söhne nun wie Schwerverbrecher behandelt werden. Die Ehefrauen der Festgenommenen sind in großer Sorge; anfangs erfahren sie oft noch nicht einmal, wo ihr Mann hingebracht wurde und was mit ihm geschieht. Zudem fällt nun sein Verdienst weg.
Für die Ehefrauen der politischen Häftlinge ist es schwierig, Sozialhilfe zu bekommen. Im Rathaus hat nun – neben dem Bürgermeister – der Ortsgruppenleiter der NSDAP das Sagen; offiziell arbeitet er dort als „Kassenverwalter“. Ehefrauen der politisch Verfolgten werden zu erniedrigenden und körperlich schweren Arbeiten dienstverpflichtet. Die einen müssen mit dem Putzeimer im Volkshaus „antreten“, die anderen werden zur Heuernte oder zu Waldarbeiten eingeteilt. Ihr Verdienst ist dabei sehr gering. Einige Frauen werden krank durch diese außergewöhnlich große psychische und finanzielle Belastung.
Gleichzeitig werden die Kinder durch Schule, HJ und die allgegenwärtige NS-Propaganda sozialisiert. Viele sind begeistert im Jungvolk und bei den Jungmädeln. Sie gehen auf Fahrt, sammeln fürs Winterhilfswerk, basteln, verinnerlichen die Volksgemeinschaftsideologie, sind stolz auf ihre Uniformen, begeistert von den Bildern der Aufmärsche bei Reichsparteitagen, den Übertragungen der Berliner Olympiade 1936 über den Volksempfänger, der nun zu Hause steht… Kinder werden in Konflikte gestürzt, wenn man sie innerhalb der Hitler-Jugend zur Denunziation der eigenen Familie auffordert. Die Erwachsenen können zu Hause nicht mehr ungeschützt sprechen. Diejenigen, die aus der Haft entlassen werden, erzählen wenig. Es gibt auch in Mörfelden Kinder, die die eigene Familie denunzieren.
Ehefrauen, deren Männer emigriert sind, werden unter Druck gesetzt. Bertha Kemmler wird aufgefordert, sich scheiden zu lassen. Ihr Ehemann ist nach Frankreich geflüchtet. Dort wird er zwar als politischer Emigrant anerkannt, bekommt aber lange Zeit keine Arbeitsgenehmigung. Erst einige Jahre später kann sie mit dem gemeinsamen Sohn nachkommen.
Doch bei Kriegsbeginn werden sie als Deutsche, d.h. nun als „feindliche Ausländer“, sofort interniert – er in Caen und sie mit den inzwischen zwei Kindern in Gurs.
Nach Ende des Krieges zieht die Familie Kemmler in das nahegelegene Albi. Jakob (li.) bekommt nun wieder eine feste Arbeitsstelle, die Tochter (re.) wird eingeschult; daneben ist ihre Mutter auf dem Rad.
Das Foto wird vermutlich im Sommer 1945 aufgenommen; in der Mitte ein ehemaliger deutscher Kriegsgefangener.