Diese Sätze schreibt eine 42-jährige Mörfelderin Ende März 1945. Es ist ein fiktiver Brief an ihren Mann, von dem sie nicht weiß, wo er ist und ob er überhaupt noch lebt.
Beim Einmarsch der US-Truppen gibt es in Mörfelden keinerlei Gegenwehr. Führende Mörfelder Nationalsozialisten hatten kurz zuvor fluchtartig den Ort verlassen. Vorher hatte Bürgermeister Geiß noch angeordnet, dass größere Aktenbestände der letzten Jahre, d. h. belastendes Material, im Hof des Rathauses verbrannt wird.
Am 26. März 1945 setzen die Amerikaner den früheren sozialdemokratischen Bürgermeister Peter Klingler wieder ins Amt ein. Polizisten, die während der NS-Zeit Regimegegner geprügelt hatten, werden sofort vom Dienst suspendiert. Neun politisch verfolgte Kommunisten werden nun Gemeindepolizist. Klingler, der selbst während der NS-Zeit unter Berufsverbot stand, kümmert sich um die Rehabilitierung der politisch Verfolgten.
Um Entschädigungszahlungen zu bekommen, müssen zahllose Belege eingereicht werden. Dies ist im Einzelfalle sehr kompliziert. Wem das Fahrrad beschlagnahmt wurde, soll nun einen Kaufbeleg vorlegen. Prügel der SA oder SS mit schweren gesundheitlichen Folgen kann bestenfalls ein damals behandelnder Arzt bestätigen. Bei der Entlassung aus dem KZ Osthofen bekamen die meisten keinen Entlassungsschein … Klingler schreibt in den ersten Nachkriegsjahren immer wieder gute Leumundszeugnisse für die Mörfelder Antifaschisten.
Bei den Stellungnahmen, die Bürgermeister Klingler für diverse Anträge der politisch verfolgten Mörfelder verfasst, geht es nicht nur um Haftentschädigung, Rückerstattung von Gerichtskosten und beschlagnahmtem Eigentum, sondern auch um Verdienstausfall, Rentenansprüche und die Behandlung von körperlichen Folgeschäden.
Mit dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) von 1956 aber kommt eine weitere Hürde hinzu. Die Frage der „Entschädigungswürdigkeit“ wird nun gekoppelt an das politische Verhalten nach 1945. „Von der Entschädigung ausgeschlossen ist … wer (nach 1949) die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat,“ heißt es dort in § 6. Angesichts des damaligen „Kalten Krieges“ und des Verbotes der KPD wird dies für die politisch verfolgten Kommunisten zu einem großen Problem. Durch die lange Tradition der Mörfelder Arbeiterbewegung führt dies hier – im Unterschied zu manch anderer Stadt – nicht auch noch zu einer zusätzlichen sozialen Isolierung.
Im Mörfelder Vereinsleben arbeiten Sozialdemokraten, Kommunisten und Bürgerliche eng zusammen. Die innerörtliche Bedeutung dieses sozialen Netzwerkes kann kaum überschätzt werden.
Im November 1945 wird der gemeinsame Großverein, die SKV, gegründet. Ludwig Schulmeyer, der als Kommunist jahrelang in Haft gewesen war, organisiert nun den Wiederaufbau des Sportbetriebes. Größten Wert legt er darauf, dass der Sternlauf zur Wiedereinweihung der Frankfurter Paulskirche – der „Wiege“ der deutschen Demokratie – am 18. Mai 1948 auch in Mörfelden Station macht.